- Medizinnobelpreis 1955: Axel Hugo Theodor Theorell
- Medizinnobelpreis 1955: Axel Hugo Theodor TheorellDer schwedische Physiologe Hugo Theorell erhielt den Nobelpreis für seine Entdeckungen über Natur und Wirkungsweise der Oxidationsenzyme.Axel Hugo Theodor Theorell, * Linköping (Schweden) 6. 7. 1903, ✝ Stockholm 15. 8. 1982; 1921 Abitur, danach Medizinstudium am Karolinischen Institut in Stockholm, 1930 Promotion, 1931 Bestimmung der Molmasse des Myoglobins am Institut von The Svedberg in Uppsala, 1930-32 Assistenzarzt in einem Göteborger Hospital, 1932 außerplanmäßiger Professor an der Universität Uppsala, 1933 Rockefeller-Stipendiat am Kaiser-Wilhelm-Institut für Zellphysiologie in Berlin, 1937 Professor und Leiter der neuen biochemischen Abteilung am Nobel-Medizin-Institut, 1967 Präsident der schwedischen Wissenschaftsakademie, 1967-73 Präsident der International Union of Biochemistry.Würdigung der preisgekrönten LeistungIn seiner Doktorarbeit über die Lipide des Blutplasmas entwickelte Theorell unabhängig von Arne Tiselius (Nobelpreis 1948) die Grundlagen der Elektrophorese, die inzwischen eine der wichtigsten Untersuchungsmethoden der Biochemie ist. Bei The Svedberg (Nobelpreis 1926) lernte er die Ultrazentrifuge und die durch sie möglichen Sedimentationsuntersuchungen kennen, die besonders zur Bestimmung der Molmassen hochmolekularer Stoffe gut geeignet sind. Theorell gelang auf diese Weise erstmals die Kristallisation des Myoglobins (ein in den Muskeln konzentriertes, Sauerstoff speicherndes Eisenproteid), und er konnte dessen Molmasse als etwa ein Viertel der des chemisch ähnlichen Hämoglobins bestimmen. Die Kombination mehrerer physikalisch-chemischer Methoden bei biochemischen Untersuchungen kennzeichneten seitdem seine Arbeitsweise.Von Otto Warburg beeinflusstDer Aufenthalt bei Otto Warburg lenkte Theorells Interesse auf die Biokatalyse, insbesondere auf die enzymatisch gesteuerten Redoxvorgänge der Zellatmung. Der energieliefernde Vorgang ist dabei die Bildung von Wasser aus Wasserstoff und dem bei der Atmung aufgenommenen Sauerstoff, daneben entsteht noch Kohlendioxid. Warburg hatte die Natur und Wirkungsweise des »sauerstoffübertragenden Ferments« (später als Cytochromoxidase bezeichnet) entdeckt und als ein von Hämoglobin und Cytochrom unterschiedliches Eisenporphyrin charakterisiert (Nobelpreis 1931). Warburg wandte sich danach den »wasserstoffaktivierenden Enzymen« in den lebenden Zellen zu. Denn um den Mechanismus biologischer Oxidationen zu verstehen, galt es sowohl die enzymatische Sauerstoffaktivierung als auch die enzymatische Wasserstoffaktivierung zu untersuchen. Warburg fand schnell, dass an der Wasserstoffübertragung eine hochmolekulare Komponente, ein Enzym (Proteinkomponente), und eine niedermolekulare Komponente, ein Coenzym (prosthetische Gruppe), beteiligt waren. Dabei wurden zwei Proteine erkannt, von denen eines gelb gefärbt war und als »gelbes Atmungsferment« bezeichnet wurde. Als Theorell an Warburgs Institut kam, hatte er zwei seiner Elektrophoreseapparaturen mitgebracht, von denen eine zu analytischen und eine zu präparativen Zwecken verwendet werden konnte. Mit ihnen gelang es Theorell 1934, die Coenzym II bezeichnete Substanz als Nicotinamid-Adenin-Dinucleotidphosphat (NADP) zu identifizieren. Damit schuf er zugleich Grundlagen für die Untersuchunganderer Flavoproteine. Kurz darauf gelang ihm erstmals die reversible Spaltung eines bei der Zellatmung beteiligten Enzyms in die Proteinkomponente (Apoprotein) und die prosthetische Gruppe, womit eine bis dahin vermutete generelle Wirkungsweise der Enzyme bestätigt wurde, bei der ein von äußeren Bedingungen abhängiges reversibles Gleichgewicht zwischen Proteinkomponente und prosthetischer Gruppe besteht. Daraus ergab sich auch die allen Untersuchungen zugrunde liegende Frage nach der Bindung des hauptsächlich wirkenden »Zentrums« (zum Beispiel das Eisen der Häm enthaltenden Enzyme) an die prosthetischen Gruppe wie an das Protein und nach der Bindung zwischen prosthetischer Gruppe und Protein. Dabei erkannte er, dass die sorgfältige Reinigung und Charakterisierung von Enzymen wesentliche Voraussetzung für die Weiterentwicklung der molekularen Enzymforschungwaren.Weitere Forschungen zur ZellatmungDie in Berlin begonnenen Untersuchungen der Zellatmung fortsetzend, wandte sich Theorell dem Cytochrom c zu. Cytochrome waren als vor allem in den Mitochondrien vorkommende eisenhaltige Proteine bekannt, deren lebenswichtige Bedeutung in der Atmungskette aber noch wenig untersucht war. Nachdem Theorell in Berlin Warburgs spektrophotometrische Methoden kennen und schätzen gelernt hatte, übernahm er im Institut von Linus Pauling in den USA die Messung der magnetischen Suszeptibilität, die für die meist das Redoxsystem Fe2+/Fe3+ enthaltenden Oxidationsfermente zusätzlich zu den Redoxpotenzialen weitere wichtige Aufschlüsse versprach. In den folgenden zwei Jahrzehnten konnte er mit seinen Mitarbeitern zahlreiche physikalisch-chemische Eigenschaften und Strukturmerkmale von Cytochrom c ermitteln. Da jede Spezies ihr eigenes Cytochrom c besitzt, das sich in der Zahl und Anordnung der Aminosäuren der Proteinkomponente unterscheidet, kam der Bestimmung der ihnen allen gemeinsamen Eigenschaften große Bedeutung zu.Als nächstes nahm Theorell das Studium der Peroxidasen und Katalasen in Angriff, die im Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet sind und die Zerlegung des für die Zellatmung giftigen Wasserstoffperoxids H2O2 katalysieren. Dabei gelang erstmals mit der Meerrettich-Peroxidase die Isolierung eines derartigen Enzyms. Die verschiedenen von Theorell und seinen Mitarbeitern charakterisierten Oxidasen enthielten Häm, also Eisenporphyrinverbindungen, und eine wichtige Frage war, wie dieses an das jeweilige Protein gebunden war. Eine befriedigende Antwort ergaben die ausgeklügelten Experimente jedoch nicht, zum Teil bestehen auch heute noch darüber Unklarheiten.Zwischen 1947 und 1953 gewann das Myoglobin erneut Theorells Interesse; an Pferdemyoglobin konnte er erstmals die reversible Spaltung von Myoglobin in Häm und Protein zeigen. Im Verlauf der vielfältigen Untersuchungen, die ja mit sehr geringen Stoffmengen ausgeführt werden mussten, war es auch gelungen, Erkenntnisse über die Kinetik, das heißt den zeitlichen Verlauf und den Mechanismen der Enzymreaktionen zu gewinnen, wobei insbesondere die Abhängigkeit von der Temperatur und der Wasserstoffionenkonzentration (pH-Wert) bestimmt werden konnten. Damit ließen sich auch neue Informationen über das 20 Jahre vorher untersuchte System: Apoprotein + Flavinmononucleotid = »sauerstoffübertragendes Ferment« gewinnen.Die Arbeiten über Katalasen mündeten ab 1947 in einige grundsätzliche Untersuchungen der Alkoholdehydrogenase, die die Oxidation (= Dehydrierung) des Ethanols katalysiert. Da Alkoholdehydrogenase aus Leber das Metall Zink enthält, war ein Anlass gegeben, den Mechanismus der Zinkreaktionen im Vergleich zu den eisenhaltigen Systemen zu ermitteln. Ab 1962 begann Theorell auch mithilfe der Röntgenstrukturanalayse den Aufbau der von ihm so erfolgreich in reiner Form isolierten Enzyme zu ermitteln, konnte damit aber keine wesentlichen Ergebnisse erzielen. In die späte Schaffensphase gehören auch einige Untersuchungen zu medizinischen Problemen.M. Engel
Universal-Lexikon. 2012.